Arrest



„Nach den damaligen Zensurbestimmungen durften Reden von Mitgliedern des Herrschaftshauses und umso mehr die Worte des Monarchen nur mit Erlaubnis des kaiserlichen Ministers gedruckt werden. Mein Mann kannte diesen Punkt des Gesetzes nicht. Man stellte ihn vor ein Gericht ohne Geschworene.“
Dostojewskaja – Erinnerungen, Rütten & Loening Verlag Berlin  S. 292

Dieses Statement ist nebenher ein schönes Beispiel für die einfältigen und subjektiven Betrachtungen/Behauptungen Dostojewskis zweiter Frau, denn Dostojewski selbst gibt diesen Sachverhalt in seinem Tagebuch wie folgt wieder:
". . . als ich einmal als Redakteur einer gewissen Zeitschrift zufällig, aus Unachtsamkeit (was doch jedem passieren kann), eine Notiz durchließ, die nur mit Genehmigung des Herrn Ministers des kaiserlichen Hofes gebracht werden durfte. So wurde mir plötzlich eröffnet, dass ich angeklagt sei. Mein `Vergehen` war mir sogar klar: ich hatte ein klar formuliertes Gesetz übertreten, und ein juristischer Streit darüber war ausgeschlossen." Siehe auch weiter unten.
Dostojewski im zweiten Kapitel der Februarausgabe 1876 seines Tagebuches

 Dostojewski (links) mit weiteren Arrestanten in der Hauptwache auf dem Petersburger Heumarkt.*

„Dostojewski war für W. P. Mestscherskijs Artikel Kirgisische Deputierte in St. Petersburg, abgedruckt im Graschdanin Nr. 5 vom 29. Januar 1873, gerichtlich zur Verantwortung gezogen worden. In diesem Artikel wurde von einer komischen Episode berichtet, die sich bei einem Empfang kirgisischer Deputierter durch Alexander II. zugetragen hatte. Sie war an sich harmlos, hätte aber nicht ohne Sondergenehmigung des Ministers veröffentlicht werden dürfen. Da die Redaktion des Graschdanins nicht über eine solche Genehmigung verfügte, wurde gegen Dostojewski ein Verfahren eingeleitet.

Die Verhandlung fand am 11. Juni 1873 statt. Dostojewski bekannte sich nicht schuldig, doch man verurteilte ihn zu zwei Tagen Arrest, der immer wieder verschoben wurde, dank der Hilfe des damaligen Staatsanwalts des Petersburger Bezirksgerichts A .F. Koni. Dostojewski verbüßte die Strafe schließlich am 21./ 22. März 1874 in der Hauptwache auf dem Heumarkt.“
Briefe an Anna, Athenäum Verlag S.  421 f.

Anna Grigorjewna Dostojewskaja (1846-1918)

"Ich sah und hörte, wie mein Advokat redete und der Gedanke, dass ich, der ich doch absolut schuldig war, plötzlich als absolut unschuldig dastehe, war so amüsant und zugleich so angenehm, dass ich jene halbe Stunde vor Gericht zu den lustigsten Stunden meines Lebens zähle, aber ich war kein Jurist und konnte deshalb nicht begreifen, dass ich absolut unschuldig war.
Natürlich wurde ich schuldig gesprochen: die Literaten werden ja streng behandelt; ich musste fünfundzwanzig Rubel bezahlen und zwei Tage auf der Hauptwache am Heumarkt absitzen, wo ich die Zeit sehr nett und sogar mit gewissem Nutzen verbrachte und manchen Menschen und manche Dinge kennenlernte."
Februarausgabe 1876 - Tagebuch eines Schriftstellers, Piper München 2001 S. 154

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Irrtümlicher Weise wird dieses Bild in der Regel mit Haft in Sibirien oder ähnlichem untertitelt. Nicht nur dass es generell falsch ist, es gibt zudem zweifelsfreie Anhaltspunkte, die diese Zuschreibungen als irrtümlich klassifizieren: Die Räumlichkeiten entsprechen in keiner Weise denen des Omsker Lagers. Die Bekleidung entspricht keinesfalls der im Lager getragenen und das Alter Dostojewskis nicht der Zeit seiner Verbannung.