Geständnisse eines Slawophilen (Auszug)


"Ich habe in vieler Hinsicht rein slawophile Überzeugungen, obschon ich vielleicht nicht vollends Slawophile bin. Das Slawophilentum wird noch immer sehr verschieden aufgefasst. Für viele bedeutet es sogar noch jetzt wie in alten Zeiten z. B. für Belinskij nur eine Vorliebe für volkstümlich grobe Speisen und Getränke. Belinskij war in seiner Auffassung Slawophilentums wirklich nicht weiter gegangen.
Für andere (und zwar, nebenbei bemerkt, für sehr viele, wenn nicht gar für die Mehrzahl der Slawophilen selbst) bedeutet das Slawophilentum das Streben nach der Befreiung und Vereinigung aller Slawen unter der Führung Rußlands, wobei diese Führung auch nicht einmal streng politisch zu sein braucht.

Für die dritten schließlich bedeutet das Slawophilentum, außer der Vereinigung aller Slawen unter der Führung Russlands, auch noch einen geistigen Zusammenschluss derjenigen, die daran glauben, dass unser großes Russland an der Spitze der vereinigten Slawen der ganzen Welt, der ganzen europäischen Menschheit und ihrer Zivilisation sein neues, gesundes und von der Welt noch nicht gehörtes Wort verkünden wird. Dieses Wort wird verkündet werden zum Heil und zur bereits wahrhaften Vereinigung der ganzen Menschheit verkündet werden, zum Wohle und zur Vereinigung in einem neuen brüderlichen, allweltlichen Bunde, dessen Prinzipien im Genius der Slawen und vorwiegend im Geiste des großen russischen Volkes liegen, das so lange gelitten hat und so viele Jahrhunderte zum Schweigen verurteilt war, das aber immer große Kräfte für die künftige Klärung und Lösung vieler bitterer und verhängnisvoller Missverständnisse der westeuropäischen Zivilisation in sich trug. Zu dieser Gruppe der Überzeugten und Gläubigen gehöre ich.

Dostojewski 1878

Man braucht hier wiederum nicht über mich zu lachen und zu spotten: diese Worte sind alt, dieser Glaube ist alt, und schon der Umstand allein, dass dieser Glaube nicht stirbt und diese Worte nicht verstummen, sondern immer mehr erstarken, ihren Wirkungskreis erweitern und neue Adepten, neue überzeugte Verfechter finden, schon allein diese Tatsache könnte doch schließlich die Gegner und Verspotter dieser Lehre veranlassen, sie etwas anzuschauen und die starre Feindlichkeit gegen sie aufzugeben."

Tagebuch eines Schriftstellers, Vierter Band, Juli 1877 bis Januar 1881
Hrsg. Alexander Eliasberg, Musarion Verlag München 1923
Konkret: Juli August 1877, Zweites Kapitel, Geständnisse eines Slawophilen S. 49 f