Nachlese


Obwohl sich die Wege von Dostojewski und Belinski recht schnell trennten, hängt Dostojewski zeitlebens dieser Beziehung nach, wenn auch eher mit negativem Ausschlag:
 
"Belinski war eine unreflektierende Natur par excellence, war gerade eine schrankenlos ekstatische Natur, war und blieb das sein ganzes Leben lang. Damals in den ersten Tagen unserer Bekanntschaft, als er sich gleich mit ganzem Herzen an mich schloß, beeilte er sich sofort, und zwar mit der treuherzigsten Hast, mich zu seinem Glauben zu bekehren. Ich übertreibe seinen glühenden Drang zu mir, wenigstens in den ersten Monaten unserer Bekanntschaft, nicht im geringsten."
Dostojewski in seinen "Tagebüchern eines Schriftstellers" aus dem Jahre 1873 (zuerst veröffentlicht im Periodikum "Der Bürger")
 
"An die neuen sittlichen Grundlagen des Sozialismus (der übrigens bisher noch keine einzige neue aufgewiesen, sondern nur widerliche Entstellungen der Natur und des gesunden Verstandes hervorgebracht hat), glaubte Bjelinski bis zum Wahnsinn und ohne jede Reflexion; das war bei ihm nichts als eine einzige Ekstase. (. . .) Es galt für ihn also, zunächst die Religion niederzureißen, aus der die sittlichen Grundlagen der von ihm bekämpften Gesellschaft hervorgegangen waren. Familie, Eigentum, sittliche Verantwortlichkeit des Einzelnen – alles das wurde von ihm radikal verneint."
Ebenda
 
"Oh, grundlos hat man später geschrieben, daß Bjelinski, wenn er länger gelebt hätte, zum Slawophilentum übergegangen wäre. Niemals hätte er mit dem Slawophilentum geendet. Bjelinski hätte vielleicht mit der Emigration geendet, wenn er länger gelebt hätte und wenn es ihm gelungen wäre, über die Grenze zu kommen, und würde sich jetzt als kleiner und begeisterter alter Herr mit demselben warmen Glauben, der nicht die geringsten Zweifel zuläßt, irgendwo auf den Kongressen im Deutschland und in der Schweiz herumtreiben, oder sich irgendeiner deutschen Madame Goegg als Adjutant anschließen und für irgendeine Frauenfrage den Laufburschen spielen."
Ebenda
 
Nekrassow und Panajew bei Belinski zum Krankenbesuch (Gemälde von Naumow 1881)

"Dieser glückselige Mensch, der eine so erstaunliche Gewissensruhe besaß, war übrigens mitunter sehr traurig, doch diese Trauer war von besonderer Art, – nicht eine Folge von Zweifeln, nicht von Enttäuschungen, oh nein, – sondern ihre Ursache war die Frage: warum nicht heute, warum nicht morgen?"
Ebenda
 
Es gab noch wesentlich schärfere Angriffe, jedoch nicht publizistischer Art, sondern in seinen Briefen.
Siehe oben:   diverse Ausfälle Dostojewskis gegen Belinski
 
Andererseits schreibt Dostojewski im Januar 1863 an Belinskis Witwe:
"Ich liebte und verehrte Ihren unvergesslichen Mann so sehr, und zugleich war es mir eine liebe Erinnerung, immerzu an jene beste Zeit meines Lebens zu denken."
Briefe
 
Ein vorgehender Brief der Witwe Belinskaja an Dostojewski, weist deutlich darauf hin, dass Dostojewski nicht nur Mitglied des literarischen Kreises um Belinski war, sondern auch ein der Familie nahestehender Mensch.
Briefe S. 574
Diesen Brief kann man bei Konrad Onasch; Dostojewski-Biographie auf Seite 57 f. nachlesen.